Thilo Bode unter Mitarbeit von Stefan Scheytt: Der Supermarkt-Kompass. S. Fischer Verl., Frankfurt/M., 2023, 319 S. 22,00 Euro, ISBN 978-3-10-397160-6
Wie muss es um unser Konsumverhalten bestellt sein, wenn wir nun schon für die Produktvielfalt im Supermarkt einen Kompass, sprich eine Orientierungshilfe benötigen? Ein Gefühl der Dekadenz und Überflusses schlich sich beim Lesen des Buchtitels angesichts der weltweit zum Teil bedrohlichen Ernährungslage zunächst bei mir ein, denn wir haben stets ein großes, zumeist preiswertes Lebensmittelangebot bei Discountern wie den „vier Großen“ Lidl, Rewe, Edeka und Aldi
Mit dieser Halbwahrheit räumen der versierte Verbraucherschützer, Thilo Bode, Gründer der Verbraucherorganisation foodwatch, und Stefan Scheytt schonungslos und von der Datenlage her gut gelegt auf. Ihre Orientierungshilfe zum Schutz der Verbraucher macht zweifelsohne Sinn, denn wir bewegen uns in einem ständigen Spannungsfeld zwischen günstig einkaufen wollen oder müssen, den eigenen, auch ernährungsphysiologischen Ansprüchen und den Versprechen der Lebensmittel-Großkonzerne. Diese stehen ihrerseits im Wirkungsgefüge von Mitbewerberwettstreit, politischen Interessen, denen von Erzeugern und Zwischenhändlern sowie den eigenen Wirtschaftsinteressen. Dabei bleibt für den Verbraucher die Transparenz bei den genannten Faktoren, insbesondere den Inhaltsstoffen, dem Gesundheitswert und der Klimabilanz seiner (Alltags-)Einkäufe in einer Grauzone. Die oftmals verschleierten Hintergründe bei Herstellung und Vermarktung unserer Grundnahrungsmittel wie Fleisch, Milch, Eier, Öle, ebenso Snackartikel u. ä. entlarven die Autoren in den entsprechenden Kapiteln. Infokäste sowie persönliche Erfahrungsberichte von T. Bode lockern die vielen fachlichen Aspekte lesefreundlich auf. Eine der sicherlich unerwarteten Ausführungen bezieht sich auf das „Ammenmärchen“, dass durch das Verbraucherverhalten der Markt beeinflusst werden kann („ethischer Konsum“). Den inhaltlichen Rahmen dazu bietet der Hype um vegetarische und vegane Ernährung.
Der Kompass redet nicht generell die Marketingstrategien der Lebensmittelkonzerne per se schlecht , sondern sensibilisiert für eine modernen, wohl reflektierter Sicht- und Umgangsweise mit Lebensmittel im Supermarkt. Das heißt nicht, dass – wem immer es wirklich schmeckt – das Rindersteak oder der „Tofuburger“ von nun an tabu ist, sondern der Genießer vielleicht einfach nur ein mit sich selbst ehrlicheres Konsumverhalten entwickelt. (Weitere Infos unter: www.fischerverlage.de, www.klimaneutralerverlag.de)
