Luisa Neubauer, Dagmar Reemtsma: Gegen die Ohnmacht. Meine Großmutter, die Politik und ich. Klett-Cotta, Stuttgart, 2022, 240 S., 24,00 Euro, ISBN 978-3-608-50163-6

13 November 2022 0 Von Christiane Högermann

In diesem Buch geht es um Ohnmacht als Hauptgegner, gegen die ein generations- übergreifender Kampf möglich ist, wenn man nur erst einmal erkannt hat, dass man persönlich werden muss, mit den kleinen und großen Erfolgs- und Misserfolgsgeschichten in der (einzel-)kämpferischen Auseinandersetzung mit menscheitsbedrohenden Krisen aus dem politischen, wirtschaftlichen sowie umweltbiologischen Bereich als Vehikel. Wer hat schon eine fast 90jährige Großmutter, die seit Jahrzehnten als mutige Aktivistin gegen von Menschen gemachte Krisen kämpft. Die bekannte Klimaschützerin Luisa Neubauer hat ein solches Vorbild, ist also mit einem solchen Engagement aufgewachsen und handelt ebenso konstruktiv-kämpferisch. Spannend an diesem „doppelten Schicksalsroman“, der von der NS-Zeit bis heute reicht, ist, dass hier zwei Lebensgeschichten miteinander verknüpft sind und sich – bildhaft gesagt – gegenseitig befruchten. Die biografischen Episoden, insbesondere aus dem Leben von D. Reemtsma lesen sich spannend, machen nachdenklich und zeigen mutmachende Erfolgserlebnisse, die auf „sich empören, aufklären, niemals aufgeben, auch ein u. U. folgenschweres Risiko eingehen“ basieren. Viele Fragen werden im Prolog aufgeworfen. Sie leiten den Leser durch die Lektüre. Das Credo „Wo fangen wir an? Ganz vorne bei uns.“ (S. 13) ist dabei sicherlich der eindrücklichste, nachhaltig wirkende Leitgedanke.

Die hundert Jahre Geschichte werden sprachlich ansprechend aus einer wohl durchdachten Mischung zwischen der „modernen“ Sprache der Enkelin und fachlich anspruchsvollen Passagen zu beispielsweise politischen Hintergründen gestaltet. Aufrufe, mit kleinen Schritten mitzumachen, die aktuellen Krisenbereiche anzugehen sind stets präsent. Was es jedoch nicht gibt, ist die Verbreitung von Endzeitstimmung. Es ist nie zu spät zu handeln. Wie das gehen kann, stellt das ungewöhnliche Autorinnenteam absolut lesenswert dar. Beide Protagonistinnen bleiben dabei stets glaubwürdig und authentisch, nicht zuletzt, weil auch situationsbezogene Fotos die eine oder andere Aktion und das Werden des Buches dokumentieren. (Weitere Infos unter: www.tropen.de)